6/16/2017

BINDUNGEN: ES IST KOMPLIZIERT

Nicht nur der Mensch hat seine lieben Mühen mit Beziehungen und Verbindungen, auch Lebensmittel sind nicht viel besser. Soßen, Cremes, Eis, Marmelade – da wird getrennt und geschieden, außer es kommt das richtige Bindemittel dazwischen. Das kann ein Eidotter sein. Diese Methode nennt sich Liaison. So schön aber ein solches Liebesverhältnis sein mag, es gibt verschiedene Gründe keine Eier verwenden zu wollen oder zu können. Ein würdiger Ersatz ist Johannisbrotkernmehl. Mir graust zwar vor Ersatzprodukten, aber dieses Mehl ist ein reines Naturprodukt, auch wenn es in der Lebensmittelindustrie mit einer Ziffer als E410 bezeichnet ist und dadurch den Anschein erweckt "etwas Künstliches" zu sein.  
Das Mehl wird aus den Samen des Johannisbrotbaumes gewonnen und ist ein bekanntes und weitverbreitetes Bindemittel. Und für mich eine kleine Entdeckung, denn Bindungen, zumindest was die kulinarischen angeht, haben mich bis anhin nicht besonders beschäftigt. In den Sinn kam mir höchstens Gelatine und mit dieser wollte (und will) ich lieber nichts zu tun haben. Igitt! Tierknochenmehl.

Carubin, eine andere Bezeichnung für Johannisbrotkernmehl, eignet sich sowohl für heiße als auch kalte Zubereitungen. Ideal also für Eis, dem es eine gewisse Geschmeidigkeit verleiht, die ich bei selbst gemachter Eiscreme oft vermisse. 
Außerdem beklagte sich eine Freundin, dass kein Rezept für Kaffee-Eis zu finden sei, das ohne Instant-Kaffee auskomme. Die Gelegenheit meine Küche in ein kleines Versuchslabor zu verwandeln. Erfunden habe ich zwar nichts Neues, aber das Kafiglace, das wir schließlich genüsslich löffelten, schmeckte ausgezeichnet – ausgewogen in Süße, Geschmack und Cremigkeit. Ohne Eigelb. Und mit echtem Kaffee.

Apropos echt. Als ich unlängst den No Bake Cheesecake zubereitete, störte mich vor allem eine Zutat, nahm sie aber in Kauf, da ich den Kuchen so liebe: das Bindemittel, Instant-Vanillepuddingpulver. Instant – schon wieder dieses böse Wort! Kurzum, ein Fertigprodukt. Etwas, das ich sehr ungern, eigentlich nie verwende. Aber ich weiß, es soll dem Kuchen Halt geben und die Frischkäsemasse binden.
Um wenigstens die ungeliebte Gelatine zu vermeiden, besorgte ich das Puddingpulver im Reformhaus, und später, als der Kuchen schon längst aufgegessen war, habe ich mir die Zusammensetzung auf der Packung genauer angesehen. Ein Bestandteil ist Agar Agar, eine pflanzliche Alternative zur tierischen Gelatine, gewonnen aus Meeresalgen. Nun, auch nicht gerade appetitanregend und: Agar Agar geliert nur, wenn es erwärmt wird und wieder abkühlt, was in meinem kalt angerührten Cheesecake ja nicht der Fall ist. Möglicherweise wurde stattdessen die Kartoffelstärke aktiv, ein anderer Bestandteil des Puddingpulvers... 
Wahrlich: Es ist kompliziert. Aber auf Bindungen zu verzichten, im Leben wie in der Küche, wäre dennoch jammerschade, denke ich mir und lasse noch einen Löffel des geschmeidig Gefrorenen auf meiner Zunge zergehen...
Eine gute Übersicht vieler Bindemittel, deren Eigenschaften und Anwendungen, bietet diese Seite.


Kaffee-Eiscreme
Ergibt ca. 4 Kugeln

Zutaten
0,75 dl Milch
0,6 dl Espresso
35 g Kokosblütenzucker (im Reformhaus erhältlich, sonst weißen Zucker verwenden)
ausgekratztes Mark einer halben Vanilleschote
1 bis 1,5 g Johannisbrotkernmehl*
1,5 dl Rahm (Sahne), nicht geschlagen

*Es braucht sehr wenig Johannisbrotkernmehl. Wer keine Feinwaage hat: 1 g entspricht ungefähr einem knappen, gestrichenen TL (siehe Foto oben) und etwa einem halben Eidotter.

Zubereitung
Milch, Espresso, Vanille und Kokosblütenzucker ca. 3 Minuten leicht erwärmen (nicht kochen) bis der Zucker sich aufgelöst hat, dann das Johannisbrotkernmehl einrühren, vom Herd nehmen und in eine Schüssel leeren. Abkühlen lassen.
Den Rahm (Sahne) dazugeben und verrühren.
In die Eismaschine füllen und zu Eiscreme gefrieren. Anschließend in einen Behälter streichen und für ca. eine Stunde in den Tiefkühler geben.
Servieren. Genießen. Alleine, zu zweit, verbunden, unverbindlich... Wie auch immer: Glacewetter steht vor der Tür!


ALL IMAGES © TableTales

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen